mit Jutta Lehnert und den Schülern und Schülerinnen der Jahrgangsstufe 12 des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums am 31.10.2019

  • Wie stehen die Schülerinnen und Schüler des DBG zu unseren christlichen Kirchen?
  • Wie reagieren die Kirchen auf die Anfragen und Bedürfnisse junger Menschen?
  • Brauchen unsere Kirchen eine Reformation – im Sinne von Erneuerung – und wenn ja, wie viel?

Im vergangenen Jahr hat der ehemalige Superintendent des Kirchenkreises Trier und der jetzige Personalchef der Evangelischen Landeskirche im Rheinland Christoph Pistorius sein 2017 zum Reformationsjubiläum gegebenes Versprechen eingelöst. Er hat am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium mit den Schülerinnen und Schülern der 12. Jahrgangsstufe über ihr Verhältnis zu den beiden großen christlichen Kirchen und ihre Kritikpunkte an den Kirchen gesprochen.

Damit war die Idee geboren, unsere Schülerinnen und Schüler zum Reformationstag mit Menschen aus den Kirchen in ein „Reformationsgespräch“ zu bringen.

In diesem Jahr lud der Religionslehrer Herr Robert Loscheider gemeinsam mit seinen Kolleginnen Frau Kerstin König-Thul und Frau Karin Winter die Pastoralreferentin Frau Jutta Lehnert aus dem Dekanat Koblenz ein.

Zur Person:

Frau Jutta Lehnert (Jg. 1955) ist seit den 1980er Jahren schwerpunktmäßig in der kirchlichen Jugendarbeit tätig. Seit einiger Zeit arbeitet sie aber beispielsweise auch mit Flüchtlingsfrauen ihrer Region in einem Nähprojekt. Die Frauen fertigen aus abgelegter und gespendeter Kleidung neue peppige Kreationen.

Für ihr unaufhörlich unbequemes und unerschrockenes Engagement wurde Jutta Lehnert auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg 2913 mit dem Dorothee-Sölle-Preis des ökumenischen Netzwerkes „Kirche von unten“ ausgezeichnet. Das Netzwerk wählt für den Dorothee-Sölle-Preis Personen aus, „ … die ihr christliches Engagement aus der politischen Verantwortung für unsere Gesellschaft herleiten und darin die Erinnerung an die Radikalität des Jesus von Nazareth wachhalten“. (https://www.ikvu.de/kontexte/dorothee-soelle-preis.html)

Thema „Frau und Kirche“

„Frau und Kirche“ ist für die katholische Kirche ein immer wieder aktuelles und zugleich auch brisantes Thema, wie dies zum Beispiel die andauernden Forderungen nach dem Zugang zum Weiheamt für Frauen verdeutlichen. Aber auch in der evangelischen Kirche ist das Thema „Frau und Kirche“ längst und noch lange nicht so unproblematisch, wie viele Schülerinnen und Schüler zu Beginn des Treffens zunächst dachten. „Warum soll ich als evangelischer Schüler an einer Diskussion um Frauen in der Kirche teilnehmen? Das ist doch ein Problem der katholischen Kirche!“, so das Zitat eines Schülers im Vorfeld des Gesprächs. Im Verlauf des Treffens tauchten aber dann eben doch kritische Gedanken im Hinblick auf die evangelische Kirche auf, u. a. die Frage nach Frauen in Führungspositionen.

Zunächst richtete Jutta Lehnertz in einem Vortrag zuerst ihren Blick auf die frühe Kirche und das, was Frauen damals möglich war, aber im Laufe der Jahrhunderte wieder verloren gegangen ist. Sie verwies unter anderem auf Maria von Magdala, die namentlich in allen vier Evangelien Zeugin der Auferstehung Jesu ist, im 4. Jahrhundert dann zur Sünderin diskreditiert wird, die Jesus mit wohlriechenden Ölen die Füße gesalbt hat.

Richtig spannend wurde es dann in der sich anschließenden Gesprächsrunde, als Frau Lehnert von ihrem persönlichen Lebensweg und von ihren Erfahrungen als Frau in der katholischen Kirche zu erzählen begann und einen Einblick gab, wie sie heute ihren Glauben und ihre Vorstellungen von Kirche konkret lebt und praktiziert, immer im Diskurs mit Vorschriften und Vorgesetzten.

In den 1970er und den 1980er Jahren beschäftigte sie sich mit den damals brennenden Themen wie Atomkraft und der Nachrüstung mit atomaren Mittelstreckenraketen (sog. NATO-Doppelbeschluss) auch an Militärstützpunkten im Hunsrück, was zu Konflikten mit der Bistumsleitung führte. Angesprochen wurde sie von unseren Schülerinnen und Schülern natürlich auch auf die aktuell debattierten Themen wie Flüchtlingsfrage und Kirchenasyl, „Dritte Welt“ oder innerkirchlichen sexuellen Missbrauch und das Verhalten der Kirchenleitung gegenüber den Opfern. Die Schülerinnen und Schüler stellten aber auch ganz praktische Fragen nach ihrer „upcycling“-Kleidung, die in Zusammenarbeit mit den Flüchtlingsfrauen entstanden ist oder wie sie in Konfliktsituationen mit Ängsten und Einschüchterungen umgegangen ist.

Drei spannende Stunden und eine Fülle an Sachthemen gaben Denkanstöße, auch für die zunächst skeptischen Schülerinnen und Schüler, die Frau Lehnert als „aufrechte Protestantin in der katholischen Kirche“ so unglaublich erfrischend und authentisch vermittelte, gemäß ihres Ausspruchs: „Damit aus dem Heiligen Rock nicht der Mantel des Schweigens wird….“

 Text/Bild: Robert Loscheider / Karin Winter