Unser Namensgeber

Dietrich Bonhoeffers Bedeutung für den Widerstand und für das 21. Jahrhundert

Vor 105 Jahren wurde ein Mann geboren, der heute von vielen, egal ob von Protestanten oder Katholiken, als eine Art Held beschrieben wird. Er wird als Märtyrer des 20. Jahrhunderts gehandelt. Dietrich Bonhoeffer gilt über die Grenzen Deutschlands hinaus als bedeutender Widerstandskämpfer zur Zeit des Nationalsozialismus. So wurde der evangelische Pfarrer zum Namensgeber unserer Schule.

Anlässlich des 10-jährigen Bestehens unserer Schule haben wir uns in einer Unterrichtsreihe im Fach Geschichte mit unserem Namensgeber auseinandergesetzt und sind der Frage nachgegangen: Worin besteht Dietrich Bonhoeffers Vorbildfunktion und was können wir von ihm lernen?

Dietrich Bonhoeffer, geboren am 04. Februar in Breslau, war Theologe und Teil des deutschen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Nach seinem Abitur studierte er Theologie in Berlin, unter anderem auch in New York. Nach mehreren Auslandsaufenthalten wurde er schließlich Privatdozent und Pfarrer in Berlin. Bereits ab April 1933 stellte er sich öffentlich in Vorträgen gegen die Judenverfolgung der Nazis und hinterfragte das Staatshandeln. Auch im Kirchenkampf zwischen den nationalsozialistischen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche trat er als überzeugtes Mitglied der Bekennenden Kirche gegen den Arierparagraphen und die Gleichschaltung der evangelischen Kirche in Deutschland ein. Ebenso bildete er in Predigerseminaren der Bekennenden Kirche (illegal) Vikare aus. Im Juni 1939 brach er seine Amerikareise, die er einige Wochen zuvor begonnen hatte, trotz wachsender Kriegsgefahr ab. Angesichts der zugespitzten Lage in Europa wollte er nicht tatenlos im Exil leben. „Ich habe kein Recht, an der Wiederherstellung des christlichen Lebens in Deutschland mitzuwirken, wenn ich nicht die Prüfungen dieser Zeit mit meinem Volk teile.“ 1941 trat Bonhoeffer schließlich in die Konspiration des Amtes Ausland/ Abwehr ein, zu der er schon einige Jahre zuvor über seinen Schwager Hans von Dohnanyi in Kontakt kam. Seinen Auslandsreisen, zu denen er vom Amt Ausland/ Abwehr beauftragt wurde, die zum Aufzeichnen von Nachrichten dienen sollten, benutzte er insgeheim, um den Kontakt zu den Alliierten aufzunehmen. Als V-Mann getarnt, leistete er so geheimen Widerstand. Er ließ seine Auslandskontakte für die Konspiration spielen und half vielen Verfolgten, z.B. beim „Unternehmen 7“ des Amtes Ausland/ Abwehr, wobei er für die Einreiseerlaubnis einiger jüdischer Menschen in die Schweiz gesorgt hatte. Bonhoeffers Taten blieben nicht unentdeckt. Nach einem Prozess vor dem Reichskriegsgericht und KZ-Aufenthalt wurde er am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet.

In diesen zweifellos mutigen Taten liegt sicherlich ein Teil der Vorbildfunktion Bonhoeffers, obgleich man auch ein Augenmerk auf seine ethischen und theologischen Gedanken und Werke legen sollte, denen sich Bonhoeffer neben seiner Widerstandsarbeit widmete. Hierbei stechen insbesondere Bonhoeffers Gedanken zur Schuldproblematik hervor: Die Verantwortbarkeit des Tyrannenmordes (Ermordung Hitlers) mit dem Glauben war für viele Widerstandskämpfer um Bonhoeffer eine schwierige Frage. Bonhoeffer beantwortet sie mit den Schlagwörtern „Freiheit“, „Verantwortung“ und „Schuld“. Nach seiner Ansicht muss jeder Einzelne für sich entscheiden, ob er einen Mord möchte oder die Chance ungenutzt lässt und damit zwangsläufig weitere Morde an anderen zulässt, wobei sich die betreffende Person in beiden Fällen schuldig macht. Daher liegt es in der Verantwortung des Einzelnen, zu was er sich entschließt. Wichtig ist, dass er zu seiner Entscheidung steht und die Schuld dafür auf sich nimmt.

In diesen Thesen liegt unserer Ansicht nach der eigentliche Grund für die Vorbildfunktion Bonhoeffers, der Grund dafür, warum wir uns noch heute an ihm orientieren können. (Eigen-) verantwortliches Handeln ist nicht nur wesentlicher Bestandteil des Protestantismus, es ist Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Die Bereitschaft, selbst Entscheidungen zu treffen, freiheitliches Denken – das ist es, was wir von Bonhoeffer lernen können. Er hat stets zur eigenen Meinungsbildung und zum selbständigen Denken angeregt.

Bonhoeffer wählte nicht den bequemen sicheren Weg, sondern vielmehr den, den er als moralisch und verantwortungsvoll erachtete. Er ist aufgestanden gegen ein Regime, das er nicht tolerieren konnte. Hierbei bewahrte er sich stets seinen Glauben und lebte ihn, wie er es für richtig hielt. Das Christsein sah er als eine Verbindung von „Beten und Tun“. Dietrich Bonhoeffer hat Verantwortung übernommen und im Widerstand mitgewirkt. Er war nicht unter denjenigen, die Attentate vorbereiteten und ausführten, nicht DER Widerstandskämpfer, wie wir ihn uns heute vielleicht vorstellen. Jedoch agierte er im Hintergrund, gab Trost und tat das, was auch im 21. Jahrhundert von Bedeutung ist: Bonhoeffer handelte nach seinem Gewissen und nach seiner Überzeugung, auch wenn dies Gefahr für Leib und Leben mit sich brachte.

Dietrich Bonhoeffer ist ein Beispiel für Mut, Zivilcourage und Bildung. Für Mut, weil er sich traute, in einer Zeit der Unterdrückung und der Angst, seine Meinung frei zu äußern und für sie einzustehen. Für Zivilcourage, weil er während der Judenverfolgung half, mehrere Juden aus Deutschland zu schmuggeln und für Bildung, weil er, während seine Mitmenschen sich hinter dem Einheitsdenken versteckten, Gebrauch von seinem eigenen Verstand machte, da er sich nicht auf seinem Wissen ausruhte, sondern immer offen für Neues blieb. Für uns liegt Bonhoeffers Vorbildfunktion vor allem in seinem Denken. Doch wie bei allen Vorbildern müssen wir ihn so betrachten, wie er wirklich war, ohne Glorifizierung und Beschönigung. Dietrich Bonhoeffer ein Widerstandskämpfer aus dem Bilderbuch? Nein, aber Dietrich Bonhoeffer als einer, der menschlich und mit Verantwortung handelte. Bonhoeffer sagte einmal: „Christ ist einer, der für andere da ist.“ Wir denken, dass dieses Zitat Anlass genug ist, sein Verhalten zu würdigen und ihn als Vorbild für beständige Willenskraft anzusehen.